In 48h zum MVP: Der Lesewal 🐳

Wie man eine Idee möglichst Lean umsetzt, warum Kill-Gates bei neuen Produkten wichtig sind und warum der Lesewal nicht mehr schwimmt.

Sebastian Borggrewe
April 23, 2021

Vermutlich entstehen täglich Millionen von Ideen auf der Welt. Egal ob unter der Dusche, nach einem dreistündigen Meeting oder am Esstisch zusammen mit den besten Freunden.

Aber wie geht man mit einer Idee/Opportunität um? Direkt umsetzen? Erstmal Market Research? Keinem davon erzählen oder doch Jedem? Das gilt für Gründer von Startups genauso wie für Business Owner im Corporate.

Dies ist die Geschichte vom Lesewal, einem Produkt mit welchem wir nach:

  • 48h live gingen
  • 5 Tagen unseren ersten € verdienten
  • 6 Monaten unser Kill-Gate erreichten und das Produkt "töteten"

TL;DR: Ganz unten findest du unsere Learnings

Die Idee

Rasmus wohnt mit seiner Familie in München, die Mutter 100te Kilometer entfernt in Hamburg. Im Jahr 2019 stellt sich Rasmus die Frage, wie er eigentlich eine engere Bindung zwischen seiner Mutter und seinem Sohn fördern kann. Die Idee: Geschichten.In Rasmus Kopf wächst die Idee von Kinderhörspielen, die von Großeltern eingesprochen werden können - und diese somit jeden Abend ans Bett ihrer Enkel bringt.Zu den eingesprochenen Geschichten sollen dann wie von Zauberhand Musik und Geräusche geschnitten werden, sodass es ein echtes Hörspiel wird.Mit Sebastian findet er einen Techie und mit Corona die Opportunität die Idee zu testen. Denn Trennung ist im ersten Lockdown eher die Regel als die Ausnahme.

Und damit die Idee nicht nur eine Idee bleibt, setzen sie die zwei in die Tat um.

Der erste Prototyp

Das lief ungefähr so: Rasmus erzählt Sebastian seine Idee, Sebastian kauft an einem Samstag Anfang April eine SIM-Karte und steckt diese in ein altes Handy. Darauf installieren die beiden Whatsapp-Business und bauen am Sonntag eine Landing-Page für mögliche Kunden und empfehlen den Lesewal an einige Bekannte (natürlich mit dem Hinweis: Das haben wir gefunden). Der Deal: Erstes Hörspiel kostenlos, zweites bezahlt.Und bereits am Mittwoch verkaufen sie ihr erstes Hörspiel.

"Das ist der Key: einfach machen. So viele Menschen haben gute Ideen und ich denke mir dann, mach es einfach! Einmal im Jahr sollte man einfach mal eine Idee umsetzen. Dabei ist auch egal ob innerhalb eines Unternehmens oder als eigenes Produkt."  - Sebastian, Gründer Productsquads

Dieser Glaube an ihre Idee ließ Sebastian und Rasmus von heute auf morgen Dinge ausprobieren, mit denen sie sonst noch nie Kontakt hatten, was anfangs auch gut war.

"Ich fand das am Anfang auch irgendwie geil, weil wir eigentlich gar nicht aus dieser ganzen Welt kommen. Und plötzlich bist du Nachts ein Kinder Hörspiel Audio Schnitt Producer. Neben Arbeit, neben deiner Familie. Wie abstrus ist das." - Rasmus Breyer, Gründer Lesewal

Erste Erfolge & Technik-/Team-Erweiterung

Gerade in Zeiten des Lockdowns läuft es gut und Sie bekommen die ersten Feature in den Medien. z.B. in der Mallorca Zeitung oder Leben & Erziehen. Es kommen immer mehr Anfragen, aktuell noch nach den ersten kostenlosen Hörspielen. Aber die werden schon noch in zahlende Kunden konvertieren… So der Plan... Schnell wird klar, dass die Beiden nicht alles alleine stemmen können und die Anfangs komplett manuellen Prozesse schnell an Ihre Grenzen stoßen.

"Also ich weiß noch, dass ich dann nächtelang dasaß und mit diesem Linux Tool versucht was zu bauen, wo wir einfach nur noch Wörter markieren mussten, die die Person gesagt hat. Und auf Basis dessen wurde dann automatisiert ein Hörspiel geschnitten." - Sebastian

Damit dauert die Bearbeitung der Hörspiele keine 20, sondern nur noch 2 Minuten. Und so konnte die Vielzahl an Kundenanfragen auch bewältigt werden. Außerdem kam mit Felizitas eine Werkstudentin mit ins Team, um beim Schnitt zu unterstützen.

Wir experimentieren uns aus dem Tal

Nach dem ersten Lockdown flacht die Nachfrage langsam ab und wir müssen nun stärker an der Zielgruppe und deren Ansprache arbeiten. Denn viele wollen das erste kostenlose Hörspiel und sind sehr begeistert, aber kaufen dann kein weiteres nach…

Doch genau das wollen wir und um das zu erreichen startet unser erstes Experiment: Mögliche Kunden auf Instagram finden und kontaktieren. Da diese Plattform vor Eltern-, Mama-, oder Papa-bloggern nur so wimmelt, wird einer nach dem anderen kontaktiert. Zuerst nur um Reichweite zu bekommen und in Follow-trains zu gelangen. Später dann auch um Kooperationen mit Influencern einzugehen, denen mögliche Lesewalkunden folgen. Nach wochenlangem Finger-wund-tippen jedoch das Ergebnis: Wir generieren zwar viel Traffic, aber haben hohe Abbruchquoten. Außerdem erreichen wir nur Eltern, diese haben jedoch absolut keine Zeit, ein Hörspiel aufzunehmen. Das heißt nur eins: neues Experiment!

Beim ersten realen Treffen im Sommer 2020 haben Sebastian, Rasmus und Felizitas dann die Erkenntnis: sie müssen die Zielgruppe wechseln.
Denn wer hat, im Gegensatz zu den Eltern, Zeit und Lust ausführlich eine Geschichte vorzulesen? Genau, Oma und Opa! So bauen die 3 innerhalb eines Tages die Landing Page Oma und Opa gerecht um, sodass genau diese angesprochen werden. - Aber, wie erreichen wir die Großeltern? Auf welchem Kanal sind die unterwegs?

"Also Eltern erreicht man relativ gut über Instagram würde ich sagen, aber wo sind die Großeltern? In der Apothekenumschau?" - Rasmus

Und tatsächlich, die Großelterngeneration hat kein Medium, über die man sie erreichen könnte - oder das Lesewalteam hat es zumindest bisher nicht gefunden. Denn sie ergriffen eine neue Strategie: Rekrutierung der Großeltern über die Eltern. Denn wer sagt schon nein, wenn sich das Enkelkind eine selbst gesprochene Gute-Nacht-Geschichte wünscht? Nur Unmenschen würde man denken, jedoch zeigt auch die Lesewalstatistik, dass dies immer noch nicht der richtige Weg war, die Zielgruppe nachhaltig zu erreichen.

Let’s kill it

Denn Sebastian und Rasmus hatten sich im Frühjahr 2020 ein Ziel gesetzt: 6 Monate Zeit, um die aus der Idee ein profitables Produkt zu machen. Jetzt ist November 2020, die Frist ist abgelaufen und der Lesewal schwimmt nicht mehr. Sebastian und Rasmus haben sich vor allem bewusst für ein richtiges Ende entschieden, weil nur wenige über Enden reden. Die meisten lassen das Ende weg, aber dann kann auch niemand aus deren Erfahrungen lernen.

"Wir wollen lieber ein klares Ende, um auch für uns nochmal die Möglichkeit zu haben, unsere Learnings aufzubereiten und diese für uns und andere zu teilen." - Sebastian

Unsere Learnings

  1. Teile deine Idee und erschaffe etwas ZUSAMMEN - nicht als Lonely Rider 🙌 Das gilt nicht nur für Gründer. Wenn du im Konzern arbeitest, ist es auch da wichtig sich Verbündete zu suchen, die an deine Idee glauben! Alleine wird es schwer!
  2. Mach einfach mal, statt die 10te Market Research zu machen, oder im 5ten Business Case direkt alles kaputt zu rechnen. Die meisten Ideen lassen sich mit Kreativität super schnell testen. In unserem Fall: Simkarte, altes Handy, Website Baukasten Wix und GarageBand.
  3. Denk in Experimenten! Bau nicht 3 Monate an etwas rum, wo du kein Feedback bekommst. Lieber schnell nach 2 Tagen oder 2 Woche raus. Feedback holen und für das nächste Experiment nutzen! 🧪
  4. Setz dir klare Ziele und Gates. Dran bleiben ist zwar wichtig, aber wenn du dein 10tes Ziel gerissen hast, ist es auch nicht sonderlich Smart ein totes Pferd zu reiten. Aus unserer Erfahrung sind 6-9 Monate eine gute Zeitspanne, in der man viel Lernen kann. Danach solltest du eine gute Idee haben, ob etwas Funktioniert. Sei dann ehrlich zu dir selbst und kill das Produkt, wenn es nicht läuft.
  5. Man kann auch Ideen erst in kleinem Rahmen testen, neben deinen Hauptaufgaben. Nicht alles muss direkt ein Riesenprojekt werden.
"Also es gibt ja tausend Dinge, mit denen du dein Geld verdienen kannst. Aber wenn es dich irgendwie nicht im Herzen berührt und du dich nicht wirklich dran glaubst, dass es eine coole Sache ist und Mehrwert spendet, dann es ist halt auch relativ egal, ob nachher der Business Case positiv ist. Dann macht es einfach keinen Spaß." - Sebastian
Ansprechpartner Productsquads

Sebastian Borggrewe

Gründer & Geschäftsführer

Ich bin der Gründer der Productsquads und seit 15 Jahren als digitaler Produktentwickler tätig. Als Software Entwickler, CTO, Produktmanager... Tech by trade, product by heart!

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